Das neue Jahr hat gerade begonnen und gerade jetzt ist die Motivation hoch. Der gefasste Vorsatz fürs neue Jahr liegt noch taufrisch auf eurer Zunge und ihr habt immer noch den Klang eurer Stimme im Ohr, die sagt: „Dieses Jahr trainiere ich richtig und es gibt keine Ausreden mehr!“
3 Tage später lässt der Silvesterkater langsam nach und ihr steht das erste Mal im neuen Jahr wieder in der Kletterhalle und werdet mit der Realität konfrontiert. Ich möchte fit werden, aber wie? Soll ich jetzt bouldern gehen oder Seilklettern? Oder ich gehe erst Seilklettern und mache danach noch ein paar Boulder - so wie immer oder doch anders herum. Was ist eigentlich mein Projekt, für das ich trainieren wollte. Sollte ich vielleicht auch ans Hangboard gehen? Aber mein Kollege hat das im letzten Jahr gemacht, regelmäßig nach dem Klettern, dann hat er sich ganz plötzlich ohne Vorwarnung das Ringband gerissen!
Ich möchte euch mit diesem ersten Teil des kleinen 1x1 der Trainingslehre fürs Klettern die Basics der Belastungsbereiche und Ruhephasen näherbringen. Dieser erste Teil ist sehr allgemein und soll euch die verschiedenen Trainingsmöglichkeiten und ihre Effekte auf euren Körper näherbringen. In den folgenden Teilen werde ich euch Trainingsbeispiele und Tipps geben, die euch ein sportartspezifisches Training fürs Klettern ermöglichen. Denn ihr kennt euch und eure Schwächen am besten. Mit etwas Geduld und euren neu gewonnenen Erkenntnissen könnt ihr gezielt an euren Schwächen arbeiten. Mit Wissen und der richtigen Motivation könnt ihr euer Kletterniveau auf ein ganz neues Level heben.
Es gibt wieder ein großes ABER. Ich möchte euch ermutigen euer Kletterschicksal selbst in die Hand zu nehmen. Tauscht euch aus mit Trainern und Gleichgesinnten Kletterern. Doch dies könnt ihr nur, wenn eine gewisse Basis an Grundwissen vorhanden ist. Denn leider wabern durch die meisten Kletter- und Boulderhallen ziemlich viele Trainingsmythen. Diese entfernen euch leider eher von eurem Ziel als euch näherzubringen. Zum Beispiel müssen die meisten nicht mehr trainieren, sondern effektiver und gezielter. Pausenzeiten beachten und Regenerationszeiten einhalten. Es bringt euch nichts eure Maximalkraft am Hangboard zu trainieren, wenn ihr vorher zwei Stunden bouldern wart. Dabei reißt eher mal ein Ringband oder die Gelenkkapsel schreit um Gnade mit einem „Plopp“, und eure Gelenksflüssigkeit verteilt sich ungebremst in eurem Finger. Maximalkraft, um bei dem Beispiel zu bleiben, heißt Maximalkraft, weil sie die von euch maximal aufzubringende Kraft ist und nicht nur noch 85%, weil ihr schon vorermüdet seid.
Schon Kant schrieb: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“. Anstatt dich darauf zu verlassen, dass andere für dich denken und ihre Ansichten über ein richtiges Training zu übernehmen, versuche selbst das perfekte Training für dich zu gestallten. Du musst nicht das Klettertraining neu erfinden, aber du kannst es individuell auf deine Bedürfnisse zuschneiden. Dies kannst du nur, wenn du weißt, was und vor allem wie du was trainierts.
Denn es ist allgemein nicht möglich, eine Ferndiagnose zu erstellen und euch einen vorgefertigten Trainingsplan zur Verfügung zu stellen. Jeder Mensch ist individuell und hat seine eigene Kletter- und Trainingsgeschichte. Bei so einer Planung kommt es auf so viele Faktoren an (Zeit, Trainingserfahrung, körperliche Konstitution, Stress auf der Arbeit oder im Privatleben) und so ein Plan ist auch kein starres Gebilde, sondern er ist flexibel und passt sich an euch an. Mal habt ihr einen größeren Fortschritt und ihr könntet Bäume ausreißen, also Belastung steigern und ran an den Speck. Manchmal fühlt ihr euch klein und schwach, und das Männlein in eurem Kopf sagt euch das Ganze macht doch eh keinen Sinn. Belastung reduzieren und mental auftanken. Ich weiß, es gibt Anbieter im Internet, die euch ein Rundum-sorglos-Paket versprechen und euch Trainingspläne aufgrund einiger Daten über euch zu Verfügung stellen. Aus sportwissenschaftlicher Sicht und der eines Trainers ist dies leider unseriös. Solange ihr euch nicht einen Trainer, der auch neben euch stehen kann, leisten könnt, müsst ihr euer Schicksal selbst in die Hand nehmen und Eigenverantwortung für euer Training übernehmen.
Denn nur so wisst ihr, was ihr tut, wann es richtig ist, etwas zu tun, und vor allem, was genau!
Belastungsbereiche
Die Belastungsbereiche oder auch Kraftbereiche können in drei große Bereiche aufgeteilt werden, die für das Klettern, egal ob Lead oder Boulder wichtig sind. Das ist die Maximalkraft, Kraftausdauer und Ausdauer. Alle drei Bereiche sollten trainiert werden, da sie eng miteinander verwoben sind und jeder Bereich ebenfalls Einfluss auf die anderen Kraftbereiche hat. Ein „Leadkletterer“ verschiebt nur die Gewichtung seines Trainings in Richtung Kraftausdauer, so wie ein „Boulderer“ sie eher Richtung Maximalkraft ausrichtet. Beide Disziplinen profitieren jedoch vom Training ihres Gegensatzes. Ebenfalls ist eine Grundlagenausdauer nicht zu vernachlässigen, da sie die Basis eures Systems darstellt. Sie sorgt für eine verbesserte Blutversorgung, höhere Sauerstoffaufnahme und schnelle Regeneration.
Übersicht über die Belastungsbereiche im Sportklettern
Maximalkraft
Kraftausdauer
Ausdauer
Quelle und ein dickes Dankeschön an Ingo Filzwieser (Sportmanager und Bundestrainer des Deutschen Nationalkaders Klettern)