Critical Force, auf Deutsch: Kritische Kraft, ist die Kraft, die man über einen längeren Zeitraum aufbringen kann, ohne weiter zu ermüden. David Giles von Lattice Training hat sich mit einer Gruppe von Sportwissenschaftlern zusammengetan und genau diese Kraft untersucht. In ihrem Artikel "An All-Out Test to Determine Finger Flexor Critical Force in Rock Climbers" (Giles et al 2020) geben sie ihre Untersuchungsergebnisse bekannt. Es gibt im Internet viele Studien zur Messung der Maximalkraft der Finger, aber es wurde noch kein "All-Out-Test" der Kraftausdauer für die Fingerflexoren durchgeführt. Ihre Studie zeigt zum ersten Mal die Bedeutung der Ermüdungsresistenz der Fingerflexoren über ein breiteres Belastungsspektrum. Ziel der Studie war es, einen praktikablen Test zu entwickeln, der es ermöglicht, die Critical Force präzise und reproduzierbar zu messen.
Die Ermüdungsresistenz der Fingerflexoren ist der entscheidende Faktor im Klettersport. Egal ob es die Maximalkraft oder die Kraftausdauer ist. Beide limitieren oder ermöglichen das Klettern von Routen oder Bouldern. Das Training am Hangboard ist mittlerweile ein unverzichtbares Trainingsgerät eines jeden Kletterers. Durch die Testung von Giles et al kann ein präziseres Training geplant und Schwächen besser erkannt werden. Auch die Standardisierung des Testes ermöglicht es, vergleichbare Ergebnisse zu erhalten und die Leistung verschiedener Kletterer zu vergleichen. Ist einem Kletterer dieser Wert und sein Kraftverlauf über einen längeren Zeitraum bekannt, so kann er genau seine Schwächen herauslesen und an diesen arbeiten.
Critical Force und der Arbeitsspeicher (W´)
Wie oben schon kurz erläutert gibt der Wert der Critical Force jenen Bereich an, in dem sich die Unterarmmuskulatur in einem metabolischen Gleichgewicht befindet. Die Flexoren des Unterarms sind in der Lage, so viel Energie bereitzustellen, wie im Muskel verbraucht wird. Es bildet sich ein Plateau aus, was es dem Kletterer ermöglicht, die benötigte Kraft über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten.
Die Testperson wird in einem Critical Force Testverfahren einer Belastung unterzogen, die ihre Energiespeicher im Bereich oberhalb der Critical Force leeren. Dieser Bereich wird Arbeitsspeicher genannt. Der Arbeitsspeicher beschreibt die dem Körper zu Verfügung stehenden Energiereserven, welche es ihm ermöglicht, oberhalb der aeroben Schwelle im anaeroben Bereich Leistung zu erbringen. In diesem Bereich wird die Energie durch Kreatinphosphat und anaerober Glykolyse geliefert. (Jones 2018) Sind diese Speicher gelehrt, wird die Energie im Muskel durch die Aufspaltung von Fett und Kohlenhydraten gedeckt unter der Verwendung von Sauerstoff. Wir befinden uns nun im aeroben Stoffwechsel, welcher es dem Körper ermöglicht, kontinuierlich den Muskel mit Energie zu versorgen, ohne dass es zu einer erhöhten Laktatbildung kommt (Metabolisches Gleichgewicht).
Der Zustand des metabolischen Gleichgewichtes mündet in einem messbaren Plateau, welcher bei den Probanden der Studie von Giles et al ab der etwa 16. Wiederholung (Kontraktion) gemessen werden konnte. (Giles et al 2020, S.9f.)
Zusammenhang zwischen dem Arbeitsspeicher (W´) und Critical Force (CF)
Giles et al haben auch untersucht, ob es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Bereich des Arbeitsspeichers (W´) und Critical Force (CF) gibt. Hat ein Kletterer, der sich aufs Bouldern spezialisiert hat, Kraft-Ausdauer und ein Leadkletterer Maximalkraft und sie diese signifikant Messbar? Würden sie vom Training des jeweiligen Belastungsbereiches profitieren? Giles und seine Kollegen konnten einen starken Zusammenhang beider Werte feststellen. (Giles et al 2020, S.9) Die Probanden der Studie, welche ausschließlich bouldern gingen, konnten einen größeren Wert im Bereich W´ aufbringen und nach Leerung der Energiespeicher war ein deutlicher Abfall der Leistung abzulesen. Dem Gegenüber konnte bei den Probanden, die hauptsächlich Leadklettern gingen, ein flacherer Verlauf gemessen werden mit einem gleichmäßigeren Verlauf. So haben sie erwiesen, dass es eine relative Bedeutung des Wertes W´ für das Bouldern und CF für das Leadklettern gibt.
Giles et al haben des Weiteren festgestellt, dass der Wert der Maximalkraft ausschlaggebend für den Wert der Critical Force ist. Ihre Probanden hatten in Relation ihrer Maximalkraft eine Critical Force Wert, der zwischen 40-50% ihrer Maximalkraft lag. So kann davon ausgegangen werden, dass beide Werte stark voneinander abhängig sind. Die Steigerung der Maximalkraft hat demnach einen Einfluss auf die Kraftausdauer. Nur wenn die Maximalkraft neben der Kraftausdauer trainiert wird, so kann diese auch angehoben werden.
Wozu das Ganze?
Der Critical Force Test ist ein wichtiges Werkzeug zur Trainingssteuerung. Es gibt dem Athleten die Möglichkeit, sein aktuelles Leistungsvermögen zu messen und in einem Diagramm zu veranschaulichen. Aufgrund der gewonnenen Daten kann das Training am Fingerboard geplant und individuell angepasster gesteuert werden. Es ist möglich, aus dem Test die richtigen Belastungsintensitäten (Maximalkraft, Kraftausdauer) herauszulesen. Somit ist stets die richtige Trainingsintensität möglich und das Training ist effektiver.
Quellen:
Giles, Dave; Hartley, Cam; Maslen Hamish; Hadley, Josh; et al (2020): An all-out test to determine finger flexor critical force in rock climbers, International Journal of Sports Physiology and Performance,
Jones, Andrew M. (2018): The „Critical Power“ concept and highintensity exercise performance, Sport Science Exchange, Vol 31, No.181, S.1-5,